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3.7       Öffentliche Haushalte und Seigniorage

Für die öffentlichen Haushalte bedeuten eine Vollgeldreform und die Etablierung der Zentralbanken als Monetative, dass die Staatskasse in den vollen Genuss des Geldschöpfungsgewinns kommt, und zwar weniger in Form einer Zins-Seigniorage (Zinsgewinn auf einen Geldbetrag), sondern vor allem in Form originärer Seigniorage (der betreffende Geldbetrag selbst, der ausgegeben werden kann).

Um eine Vorstellung von der Größenordnung der erwartbaren Seigniorage zu erhalten, kann man in erster Annäherung vom jährlichen Zuwachs der heutigen Geldmenge M1 ausgehen (Bargeld plus Giroguthaben). In Deutschland lag der jährliche Zuwachs von M1 in den Jahren vor der Krise meist zwischen 45–50 Mrd Euro, seither bei 100 bis zu 200 Mrd Euro. Gemessen am BIP sind dies stark überproportionale Zuwächse. 

In langfristiger Betrachtung ist davon auszugehen, dass für eine Entwicklung ohne nennenswerte Inflation oder Assetinflation das Wirtschaftswachstum und die vorauslaufende Geldmengenausweitung sich ungefähr im Gleichmaß entwickeln müssen (potenzialorientierte oder kapazitätsorientierte Geldpolitik).

So gesehen entspricht in Deutschland 1 Prozent BIP-Wachstum bei einer Geldmenge M1 bei 1.800 Mrd Euro (2015) einer Seigniorage von 18 Mrd Euro. Bei einem langfristigen Wirtschaftswachstum von 1–2–3 Prozent würde sich die jährliche Seigniorage also bei 18–36–54 Mrd Euro bewegen. Dies entspricht heute 1,5 – 3,0 – 4,5 Prozent der gesamten öffentlichen Ausgaben (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherung und Sondervermögen). Um so viel Geld könnten die Steuerzahler Jahr für Jahr entlastet oder die Staatsschuld verringert oder eine nationale Pro-Kopf-Dividende ausbezahlt werden (vgl. 2.3 zur Inumlaufbringung der Seigniorage).

Für eine genauere Ermittlung der künftigen Vollgeldmenge M und der davon abzuleitenden Seigniorage wären folgende Positionen zugrunde zu legen: Bargeld im Publikum (Privathaushalte, Firmen, öffentliche Haushalte) + Bargeld im Kassenbestand der Banken + Guthaben auf Geldkonten des Publikums + verfügbare Geldguthaben der Banken bei der Zentralbank.

Die Seigniorage aus der Geldschöpfung ist absolut gesehen erheblich, aber in Relation zur gesamten Wirtschaftsleistung (BIP) und dem gesamten, historisch überaus aufge­blähten öffentlichen Haushalt wiederum recht gering. Es wäre von daher eine Illusion, zu meinen, man könne durch die Seigniorage aus der Geldschöpfung die öffentlichen Haushalte finanzieren und die Steuern abschaffen, oder alle öffentlichen Investitionen finanzieren, oder die öffentlichen Bildungsausgaben, oder ein garantiertes Grundeinkommen (dazu auch unter 'Fragen zum Thema'). Die dafür nötigen sehr großen Summen können aus der Geldschöpfung nicht zur Verfügung stehen.

Der Staat muss sich auch in einer Vollgeldzukunft regulär durch Steuern finanzieren.  Auch kann und wird der Staat weiterhin Anleihen machen und sich also in gewissem Ausmaß verschulden, vor allem zur Finanzierung großer Investitionen, die dadurch in der Zeit gestreckt werden, oder zur Finanzierung situativ auftretender großer Extrabedarfe.