2.1       Vollständiges staatliches Geldregal. Unabhängige Zentralbank als Monetative

Bei der angestrebten Reform der Geldschöpfung geht es darum, das bisherige Banken-Giralgeld in Zentralbank-Vollgeld umzuwandeln und dadurch ein vollständiges Geldregal (wieder) herzustellen.

Das Geldregal bezeichnet die monetären Vorrechte (Prärogativen) oder die Geldsouveränität eines Staates. Es beinhaltet drei staatliche Vorrechte bezüglich des Geldes:
1. die Bestimmung der Währung im Hoheitsgebiet, in der Regel als nationale Währung (Festlegung der Währungseinheit)
2. die Ausgabe der Zahlungsmittel in dieser Währung (Geldschöpfung)
3. die Einnahme des Geldschöpfungsgewinns zugunsten der öffentlichen Kassen (Seignio­rage).       

Im Giralgeldsystem besteht nur noch (1), während (2) und (3) sehr weitgehend an die Banken übergegangen sind. Die Banken haben dadurch einen quasi 'souveränen' Status erlangt, der schon alleine aus staatsrechtlichen Gründen äußerst problematisch ist (abgesehen von den diversen Funktionsproblem, die das Giralgeldregime mit sich bringt).

Um ein vollständiges Geldregal wieder herzustellen, wird das heutige Münzmonopol des Finanzministeriums und das Notenmonopol der Zentralbank auf das unbare Geld ausgedehnt. Dazu erhält die Zentralbank (in der Europäischen Währungsunion die Europäische Zentralbank und die ihr angeschlossenen nationalen Zentralbanken) ab einem bestimmten Stichtag das ausschließliche Recht, zusätzlich zu Banknoten auch alles unbare Geld in Form von Guthaben auf laufenden Konten und mobilen Geldträgern in Umlauf zu bringen. Giralgeld wird damit zu Vollgeld, das heißt zu vollwertigem gesetzlichem Zahlungsmittel, unbeschränkt gültig und voll beständig. Die Zentralbanken werden damit zur vierten Gewalt im Staat, zur Monetative: zur unabhängig gestellten obersten Geld- und Währungsbehörde, die alleine berechtigt ist, alle gesetzlichen Zahlungsmittel bar und unbar zu schöpfen und die Menge des umlaufenden Geldes (nicht aber seine Verwendung) zu kontrollieren.

Gesetzgeberisch ist die Reform im Prinzip einfach durchzuführen. Die Wiederherstellung des staatlichen Geldregals erfordert eine kleine, aber grundlegende Ergänzung in den betreffenden Paragraphen zur Ausgabe von Banknoten durch die Zentralbanken: die Vervollständigung des staatlichen Münz- und Banknotenmonopols zu einem umfassenden Geldmonopol.

Beim Paragraphen zur Notenausgabe handelt es sich in Deutschland um §14 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, in Österreich §61 Nationalbankgesetz. In der Schweiz gilt dies sinngemäß übertragen für Art. 99.1 der Bundesverfassung und Art.4 Schweizerisches Nationalbankgesetz. Dem deutschen und österreichischen Gesetz  über­geordnet handelt es sich auf europäischer Ebene um Artikel 128 AEUV (Vertrag von Lissabon über die Arbeitsweise der EU); inhaltsgleich dazu Artikel 16 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. Artikel 16 der ESZ- und EZB-Satzung trägt die Überschrift Banknoten und lautet derzeit:
'… Der EZB-Rat hat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen. Die EZB und die nationalen Zentralbanken sind zur Ausgabe von Banknoten berechtigt. Die von der EZB und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Gemeinschaft als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.'

Die novellierte Version könnte die Überschrift Gesetzliche Zahlungsmittel tragen und folgendermaßen lauten:
'Der EZB-Rat hat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von gesetzlichen Zahlungsmitteln innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen. Gesetzliche Zahlungsmittel umfassen Münzen, Banknoten sowie unbare Geldguthaben auf festen Geldkonten und mobilen Geldspeichern. Die EZB und die nationalen Zentralbanken können solche Zahlungsmittel ausgeben. Von der EZB und den nationalen Zentralbanken ausgegebene Münzen, Banknoten und unbare Geldguthaben sind die einzigen Zahlungsmittel innerhalb der Gemeinschaft, die den Status von gesetzlichen Zahlungsmitteln besitzen.'

Dadurch wird heute mit unbarem Geld der längst überfällige Schritt vollzogen, der vor über hundert Jahren in sinngemäß gleicher Weise bereits mit Banknoten vollzogen wurde. Banknoten, die zuvor von privaten Geschäftsbanken in Umlauf gegebenen worden waren, wurden nach und nach ausgeschleust zugunsten der seither allein gültigen Noten der nationalen Notenbanken. Den einzelnen Geschäftsbanken ist die Ausgabe von Banknoten seither untersagt. Eine Vollgeldreform macht heute dasselbe mit dem Giralgeld der Banken: Es wird zu Vollgeld, zum vollwertigen gesetzlichen Zahlungsmittel der Zentralbank, so wie es heute Münzen und Banknoten schon sind sowie auch die unbaren Guthaben der Banken auf ihren Zentralbankkonten.

Die Seigniorage (Geldschöpfungsgewinn) aus der Inumlaufbringung neuen Vollgeldes wäre voraussichtlich sehr viel höher als der heutige Zentralbankgewinn. Je nach Staatsquote und aktuellem Wachstum könnten daraus 1–6 Prozent des öffentlichen Gesamthaushalts finanziert werden (3.7–8). Faktisch wäre das nicht mehr nur die Abführung des Betriebsgewinns eines öffentlichen Unternehmens, sondern ein nicht unerheblicher Beitrag der Zentralbank zur Staatsfinanzierung. Von daher dürfte eine Auseinandersetzung mit dem Verbot jeglicher direkter Staatsfinanzierung durch die Zentralbank in Art. 123 (1) AEUV unausweichlich sein.

Damit die Zentralbank als Monetative neues Geld nicht mehr nur per Kredit an Banken in Umlauf bringen muss, sondern es ihr wieder ermöglicht wird, mit neuem Geld direkt zur Finanzierung des Staatshaushalts beizutragen (ohne dabei das Prinzip der Trennung von Geld- und Haushaltspolitik zu verletzen), muss Art. 123 (1) AEUV geändert werden. Dort heißt es:

Art. 123 (1) Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (im Folgenden als 'nationale Zentralbanken' bezeichnet) für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken.  

Dies ist nichts anderes als ein Banken-Ermächtigungsgesetz. Die Zentralbank ist damit nicht mehr Bank des Staates (als die sie einmal entstand), sondern ausschließlich Bank der Banken, in der Tat Bank für die Banken, einseitig im Interesse der Banken. Für deren Giralgeldregime hat sie nur noch die residuale und reaktive Rolle eines Lender of least reserves (von nurmehr 3-10 Prozent fraktional benötigter Reserven) und ggf die Rolle eines Lender of last resort, als Reservenquelle in letzter Instanz, sprich als Geldspritzen-Feuerwehr wenn es bei einzelnen Banken oder im gesamten Bankensektor brennt.

Damit haben die Euro-Regierungen sich selbst monetär entmachtet, ihr Geldregal an die Banken abgetreten und sich einseitig vom Wohlwollen der Banken und der Finanzmärkte abhängig gemacht. Artikel 123 (1) AEUV bedeutet die Preisgabe einer Prärogative von Verfassungs­rang, des Geldregals – in seiner Bedeutung vergleichbar mit dem Gewalt-, Gesetzgebungs-, Gerichtsbarkeits- oder Steuermonopol – an private kommerzielle Bankeninteressen. Um diese staatsrechtliche Fehlleistung zu korrigieren, muss Art. 123 (1) AEUV entweder ersatzlos gestrichen werden, oder der Passus '…sind ebenso verboten wie…' wird ersetzt durch '…sind nach diskretionärem Ermessen der EZB und der nationalen Zentralbanken sowie in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben zur staatlichen Haushaltspolitik ebenso statthaft wie…' Die unabhängige Zentralbank wäre damit wieder Bank des Staates, und vor allem wieder Issuer of First Instance, also proaktive Geldquelle in erster und einziger Instanz.